Biografie
Das Lied der Freiheit oder einfach ADLER
Karrierewege haben ihre Kurven. Sie führen nicht selten ins tiefe Tal der Tränen, dann ist wieder Licht am Horizont erkennbar oder die Karriere befindet sich auf jenem Punkt, der als Zenit bezeichnet wird. Auf jeden Fall ist es in den meisten Fällen so, dass das Gehen des Karriereweges mühsamer ist, als man gemeinhin als Außenstehender mitbekommt.
Gerhard Braunegger kann ein Lied davon Singen und seine Konsequenz dieser Erkenntnis heißt seit mehr als 17 Jahren: ADLER!
Gerhard Braunegger, Steirer, Jahrgang 1970. Der Bub interessiert sich für Musik. Der ältere Bruder, die Schwester, ein großer Teil der Familie ist musikbegeistert und der kleine Gerhard hat, wie seine Geschwister, eine gute Portion Talent mit auf dem Lebensweg bekommen. Mit 19 überreichte der große Bruder dem damals 9-jährigen Gerhard seine erste eigene Trompete. Der Ältere an den Jüngeren, ein Bild mit Symbolkraft und der hatte damit jenes Instrument, welches ihm sein weiteres Leben begleiten wird.
Er beginnt mit neun Jahren Trompete zu lernen, geht in die Musikschule, dann zur Blasmusik. Stures Üben ist nicht seines, lieber lernt er auf der Bühne, das was die Engländer ‚Learning by doing‘ nennen. Auf die Bühne stieg er zum ersten Mal wie er 15 war. Gemeinsam mit einem Kumpel stand der Teenager bei Feiern und Festen aller Art auf der Bühne und spielte auf. Das Programm: Querbeet. Von Oberkrainer bis Schlager.
Gerhard Braunegger ist ein Verrückter. Konkreter: Ein auf seine Art Verrückter. Sein erklärtes Ziel war immer schon, seit er mit 15 im Duo spielte, Profi-Musiker zu werden. Nur das zählte. Die unterschiedlichsten Jobs nahm er an, nur um es sich finanziell leisten zu können viel Zeit mit Musik verbringen zu dürfen. ‚Davon leben zu können, nur Musik machen, nur auf der Bühne stehen und für das Publikum da zu sein, das war von Anfang an der große Traum‘, erzählt Gerhard und dafür ordnete er alles unter, wurde zum Job- und Band-Nomaden. Er perfektionierte sein Trompeten-Spiel, griff immer öfter auch als Komponist zur Feder und stieg bei Bands ein und aus.
Die erste richtige Weichenstellung erfolgte Anfang der 90er Jahre. Musiker aus Kärnten wollten Profis werden, stellten eine Band zusammen, suchten weitere Musikanten. Der Steirer Braunegger stieg ein. Ahnung vom professionellen Musikbetrieb hatte niemand in der Gruppe aber was man wusste war, dass in der Schweiz gerne Österreicher gebucht wurden. ‚Wir waren ein bisschen blauäugig und sprangen ins kalte Wasser‘. ‚Die Kaiserjäger‘ gingen in die Schweiz und auch nach Deutschland, spielten sich quer durch die Lokallandschaft und lernten das Geschäft kennen. Zugleich mühselig und spannend war das aber 1995 war wieder Schluss. Die Band löste sich auf und Braunegger war erneut gezwungen sich umzuschauen. Er fühlte sich wie in einem Perpetuum Mobile, wie in einem Kreisverkehr ohne Ausfahrt. Die nächste Band, die nächste ungewisse Zukunft.
‚Ich fühlte mich nicht frei in meinem Handeln. In all den Bands war es immer sehr mühsam weil die Meinung jedes Einzelnen selten zu einem tragfähigen Kompromiss führte sondern immer zum kleinsten gemeinsamen Nenner‘, erzählt Braunegger der noch dazu nicht unbedingt zu jenen Menschen zählt, die ab einem bestimmten Punkt am Tisch hauen um sich durchzusetzen. ‚Ich fresse viel in mich hinein, bin in meinen Reaktionen eher verhalten um nicht zu sagen, ich bin schüchtern‘. Aber wie verträgt sich das mit der Bühne? Vor Menschen aufzutreten, sich darzustellen? ‚Das ist mein Ventil, auf der Bühne ist alles anders, da kann ich mich öffnen… Sobald die Scheinwerfer an sind und ich das Publikum spüre, ist eine andere Kraft in mir am Werk‘, so Gerhard der im Jahr 2000 den Entschluss fasste, sich von all diesen Kompromissen endlich frei zu spielen.
‚Der ADLER – der Name hat eine Bedeutung. ‚Die Idee komplett eigene Wege zu gehen, die war plötzlich einfach da. Ich habe das Lied ‚Frei wie ein Adler sein‘ geschrieben und gewusst, ich muss etwas ändern. In dem Lied steckt alles drin was ich gefühlt habe‘. Freiheit, das hieß aber auch wieder bei null zu beginnen. Anlage kaufen, lernen sich selbst zu vermarkten, Gagen auszuhandeln, der eigene Manager zu sein. ‚Das erste Jahr war zäh, aber im zweiten Jahr habe ich gespürt dass die Bemühungen fruchten‘. Gerhard wurde öfter als Alleinunterhalter gebucht. Er sang, spielte Trompete und der ADLER wurde vermehrt ein Begriff, wurde außerhalb der Schweiz auch engagiert und spielte sich als Live-Musiker durch die Szene. Es folgte die erste CD, es kam immer wieder zu Gastauftritten in anderen Bands und ebenso holte er sich für besondere Engagements auch zur Unterstützung andere Musiker mit auf die Bühne. Der ADLER lernte fliegen.
2006. Im Internet stieß er auf die Meldung ‚Alpenrebellen suchen Sänger‘. Gerhard zögerte keine Sekunde. Die Band war angesagt, man kannte die wilde Truppe aus der Steiermark und der scheue Braunegger schickte innerhalb von Minuten ein Mail, bewarb sich – und wurde genommen. Was für eine Chance! Eine neue Welt tat sich auf. Fernsehshows, Promotion-Termine, professionelles Management und er war der Front-Mann! Aber passte er tatsächlich in diese Truppe? ‚Irgendwann musste ich realisieren, dass ich nie ein Rebell werden würde‘, sagt er, der wohl eindeutig zu Introvertierte konnte mit Rebellion nichts anfangen, schon gar nicht in diese Rolle schlüpfen. Man lebte sich auseinander. 2009 stieg er bei den Alpenrebellen aus und bei den Mürztalern ein … Die nächste Band, die nächste Etappe eines Musikerlebens.
Aber was war mit dem ADLER? Seiner Freiheit für die er so gekämpft hatte? ‚Den ADLER hat es immer gegeben, ich habe ihn nie weggesperrt. Seit 2001 trete ich immer wieder unter diesem Namen auf und im letzten Jahr habe ich mich sogar entschlossen erneut ein Album aufzunehmen‘. Das inzwischen dritte mit dem Titel "Neue Wege". Der ADLER ist Gerhard Brauneggers Refugium. Ein Ort an dem er sich wohl behütet fühlt, wo er der Kreativität freien Lauf lassen kann. Was er als ADLER macht, muss er mit sich selbst ausmachen. ‚Es redet mir niemand drein, kann texten, komponieren so wie ich will… es ist eine Form der Selbstverwirklichung und jedes meiner Lieder ist wie so ein kleiner ADLER. Die werden dann später flügge und wer weiß was aus ihnen wird, aber immerhin haben sie eine Chance bekommen.‘
Das Album ist fertig. Gerhard, der ADLER, macht sich damit auf die Reise. In seiner ruhigen, zurückhaltenden Art erzählt er geduldig den Medien seine Geschichte. Laut und polternd, das geht gar nicht. ‚Ein Adler schwebt auch, ist nicht laut und kommt trotzdem weiter‘, sagt er.
Nachsatz: ‚Den größten Wert hat die Freiheit. Freiheit für das eigene Tun, nur dann kann aus etwas was werden‘. -az-